Hvala brat – der Steuermann verlässt die Brücke

11. Mai 2023 Zurück zur Artikelübersicht »

Im Profisport ist es zur Normalität geworden, dass Spieler bei Clubs auftauchen und sie genauso schnell wieder verlassen. Der Fall von VfB-Kapitän Dejan Vincic ist da ein wenig anders gelagert. Nach drei emotionalen Jahren verlässt der Slowene den Club am Bodensee und tut dies mit einem Klos im Hals. Es ist ein Abschied von einem Ausnahmeathleten in seinem Sport, aber auch von einem großartigen Typen.

Dejan Vincic beim Pokalsieg 2022 | Bild: Conny Kurth

Erst kürzlich hat Dejan Vincic über den Februar 2021 gesprochen, über den Tag als in einer Friedrichshafener Messehalle sein Club in einem Champions-League-Turnier ums Weiterkommen in der Königsklasse kämpfen wollte und es aufgrund einer Corona-Infektion im Team nicht durfte. Novosibirsk, Trentino und Karlovarsko schlugen am Bodensee auf, Vincic saß handlungsunfähig auf dem Sofa. Der Mann, der nahezu jedes Volleyballspiel in seiner Freizeit live verfolgt, hat bis heute noch keine Sekunde dieser Partien gesehen. „Es würde heute noch zu sehr weh tun“, gesteht er. „Da nicht mitspielen zu dürfen, war wahrscheinlich die bitterste Niederlage in den vergangenen drei Jahren.“

Vincic bezeichnet seine drei Jahre beim VfB als „Achterbahnfahrt, wie ich sie noch nie erlebt habe“. Ganz oben war der Slowene beispielsweise, als er mit seinem Team 2022 in der Mannheimer SAP Arena den Pokal holte. „Das werde ich so schnell nicht vergessen“, sagt er und denkt vermutlich auch daran, dass er mit einem akuten Bandscheibenvorfall auf dem Feld stand. Es ist nur eine Geschichte von vielen, in denen sich Dejan Vincic in den Dienst seiner Mannschaft gestellt hat, so wie er seine Rolle als Kapitän verstand. Drei Mal führte er den VfB in das Finale um die Deutsche Meisterschaft. „Dejan war ein richtiger Leader und eine Säule unserer Erfolge“, bilanziert VfB-Geschäftsführer Thilo Späth-Westerholt. „Er hat alles reingeworfen und war ein vorbildlicher Profi. Dafür kann ich mich nur bei ihm bedanken.“

Auf dem Feld gibt sich Dejan Vincic gern als harter Hund, der er eigentlich gar nicht ist. War seine Familie zu Besuch, stand der 36-Jährige nach dem Training stundenlang mit seinen Kindern am Netz. Eine ähnliche Rolle nahm er auch für seine jüngeren Mitspieler ein. Vincic erklärte, vermittelte und war das Sprachrohr seines Teams, ohne dabei den eigenen Vorteil zu suchen. „Die Zeit in Friedrichshafen hat mir sehr viel gegeben“, sagt der dreifache Vizeeuropameister. „Ich hoffe, ich konnte dem Club auch genauso viel zurückgeben.“

Wenn Dejan Vincic über seine Zeit abseits des Feldes spricht, bricht ein wenig seine Stimme. Diesen Teil des Gesprächs leitet er mit einem „Oh man“ und mit Klos im Hals ein. „Als Profis sind wir das gewohnt, immer wieder weiterzuziehen, aber in diesem Fall gehe ich wirklich mit sehr gemischten Gefühlen“, so Vincic, der kommende Saison in seine 20. als Profi gehen wird. „Die Menschen und der Club sind mir sehr ans Herz gewachsen. Nach drei Jahren hängen viele Erinnerungen dran.“

Mitte Mai kehrt Vincic noch einmal für einen kleineren Eingriff nach Deutschland zurück. Die Volleyball Nations League mit Slowenien lässt er deshalb aus und steigt erst im August zur Europameisterschaft wieder in das Trikot der Nationalmannschaft, danach folgt die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Was dann auf Clubebene ansteht, weiß Vincic schon, möchte aber noch nicht darüber sprechen. „Dafür ist noch genug Zeit. Jetzt wünsche ich Friedrichshafen einfach nur das Allerbeste für die kommenden Jahre.“